In der eigenen Wohnung muss er zwischen den Pflegeeinsätzen sehen, wie er selbst zurecht kommt. Das ist das Leben von Herrn Scholtz. Er hat sich relativ selbständig ein funktionierendes Pflegenetzwerk geschaffen. Die ambulante Pflege kommt dreimal täglich, das Essen wird vom benachbarten Pflegeheim geliefert. Der Apotheker gleich neben dem Pflege- und Wohnheim bringt bei Bedarf die Medikamente nach Hause, und der Hausarzt, zugleich Stationsarzt im Pflegeheim, besucht Herrn Scholtz in seinem Appartement, organisiert seine Termine bei Fachärzten oder Kliniken.
Finanziell steht er eher schlecht da. Seine Pension ist wegen des frühen Ruhestandes nicht besonders hoch, er hat zudem verschiedene Kredite laufen, die es langsam abzubauen gilt. Auch die familiären Verhältnisse sind etwas schwierig. Er ist geschieden. „Mit meinen Töchtern verstehe ich mich gut. Ich will mich nicht darüber beklagen, dass sie so selten da sind, sie haben alle mit sich selbst viel zu tun und wohnen so weit verstreut, dass nicht viel möglich wird.“
Die älteste der vier Töchter hat den engsten Kontakt zum Vater. Als Versicherungskauffrau kümmert sie sich um seine Geldangelegenheiten und berät ihn bei finanztechnischen Fragen. Die alleinerziehende Mutter arbeitet in Vollzeit und lebt mit ihren Kindern, die sieben und elf Jahre alt sind. So telefonieren sie zwar Öfter, sehen sich aber selten. Die zweitälteste Tochter ist gelernte Krankenschwester, verheiratet und Mutter eines Kindes. Ihr Ehemann ist chronisch krank. Die Familie besucht ihn gelegentlich. Die beiden jüngsten Töchter halten Distanz zum Vater. Persönlich sehen sie sich so gut wie nie. Er deutet an, dass es früher „Schwierigkeiten“ gegeben habe, die dazu führten, dass das Verhältnis der Schwestern untereinander sowie zum Vater „nicht ganz einfach sei“.
Der Tag von Herrn Scholtz beginnt irgendwann zwischen neun und elf Uhr mit dem Besuch der Pflegerin, seiner Bezugspflegerin, die er sehr schätzt. Dass es auch schon mal später wird, sei okay, das habe er sich in gewisser Weise auch so wünscht. „Da ich nachts lange auf bin und gern lange schlafe, stört mich das nicht.“ Für die Morgenpflege ist eine Stunde Zeit, seit er dank der Unterstützung der Pflegerin Pflegestufe II bekommen hat. Ihrer Fürsprache hat er es mit zu verdanken, dass seine Höherstufung befürwortete. Vorher, mit der Pflegestufe 1, musste immer alles ganz schnell gehen. Zur morgendlichen Pflege zählt der Gang zur Toilette, gestützt auf den Leichtgewicht Rollator, den er endlich von der Krankenkasse bekommen hat. Unterstützung im Bad – zweimal in der Woche ist Badetag – und schließlich die Zubereitung des Frühstücks.
Meist setzt sich seine Pflegerin dann zu ihm, und sie unterhalten sich nicht übers Wetter, sondern über sehr ernsthafte und interessante Themen. Er genießt diese Momente und staunt immer wieder, wie geschickt sie sich anstellt. „Sie ist auch für mich die Person meines Vertrauens, jetzt, das muss ich zugeben.“